Arbeitgeberbewertungsportale – Stalking 2.0

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Was die können, können wir schon lange. Mittlerweile wissen wir, dass Arbeitgeber unseren Namen bei Bewerbungseingang durch sämtliche Suchmaschinen und Social Media Kanäle jagen. Fotos, auf denen du dich als kleine Schnapsdrossel zeigst oder mit deinen Hooligan-Freunden feierst, sollten deshalb von der Bildoberfläche verschwinden. Längst hat die einseitige Stalkerei jedoch ein Ende! Mit Arbeitgeberbewertungsportalen wird der Spieß umgedreht. Endlich können auch wir, die Bewerber, bei den vermeidlich makellosen Unternehmen Mäuschen spielen und als Mitarbeiter Zeugnisse schreiben.

Für die Gastgeberbranche bietet zum Beispiel kununu.com insgesamt rund 6.500 Bewertungen für etwa 2.900 Firmen, zu denen Privathotels, Hotelketten, systemgastronomische Betriebe, Casinos, Reiseveranstalter und viele mehr gehören. Sogar ein Stimmungsverlauf der Branche wird angezeigt, der im Jahr 2014 übrigens deutlich besser ausfällt als noch im Vorjahr. Ein starker Bewertungszuwachs von im Jahr 2007 1.100 Bewertungen bis zu 500.000 Bewertungen im Jahr 2013 macht kununu.com zum derzeit größten Arbeitgeberbewertungsportal in Deutschland, Österreich und der Schweiz.

Das erste Arbeitgeberbewertungsportal ging 2006 online. Jobvoting.de existiert auch heute noch und wird neben kununu.com, bizzwatch.de, meinpraktikum.de und weiteren Plattformen gern von potentiellen Bewerbern durchforstet. Auf der Suche nach geheimen Informationen und inoffiziellen Offenbarungen hoffen wir am Ende ausschließlich positive Bewertungen über das Unternehmen zu finden, bei welchem wir uns eine berufliche Zukunft vorstellen könnten oder sogar schon einen Arbeitsvertrag vorliegen haben. Die Erfahrung lehrt uns leider etwas anderes: Wem sind sie noch nicht aufgefallen? Die anheizenden Einträge, die wie eine Hetzjagd rachesuchender Ex-Mitarbeiter gegen seine alten Arbeitgeber wirken?! An dieser Stelle sei Vorsicht geboten! Nicht vor dem Arbeitgeber, sondern vor einer übereilten Meinungsbildung durch derartige „übersubjektive“ Stellungnahmen.

Was wird bewertet?

Unterschiedliche Portale haben unterschiedliche Bewertungskriterien. Während bei Plattformen wie beispielsweise Bizzwatch.de ausschließlich Bewerber und Arbeitnehmer den Inhalt der Seite beeinflussen, kommen auf kununu.de ebenso die Arbeitgeber in Form von Unternehmensprofilen zu Wort. Hierzu weiter unten mehr.

In 13 Kategorien können Mitarbeiter auf kununu.com ihr Unternehmen bewerten, bei denen vom Vorgesetztenverhalten über die Work-Life-Balance bis hin zum Umweltbewusstsein alles dabei ist. Für Bewerber gibt es 10 und für Azubis 8 Kriterien, die an die jeweilige Bewertungsgruppe angepasst sind. So urteilen Azubis beispielsweise über Karrierechancen und Bewerber über das durchgestandene Vorstellungsgespräch. In anderen Portalen findet sich eine solche Beurteiler-Unterteilung in der Regel nicht. Was dagegen alle gemeinsam haben, ist die Möglichkeit einen ausführlicheren Erfahrungsbericht zu verfassen – kostenlos und ohne Anmeldung.

Damit noch nicht genug. Auch zusätzliche Benefits eines Arbeitgebers können angegeben werden. Gibt es beispielsweise eine Kantine, sodass das tägliche Schmieren von Butterbroten unnötig wird, kann ich auf eine betriebliche Altersvorsorge zählen  und wie barrierefrei ist das Gebäude für Rollstuhlfahrer?

Mehr als nur Bewertungen

Auf meinchef.de kannst du nicht nur die Firma allgemein bewerten, sondern zusätzlich deinen Chef und sein Verhalten sowie seine Kompetenz beurteilen – selbstverständlich namenlos! Jobvoting.de und companize.de informieren außerdem über (Durchschnitts-) Gehälter der Branche oder bestimmter Berufe. Fast alle bieten zudem Blogs und Foren an, um über aktuelle Themen zu diskutieren.

Die wohl kommerziellste Seite kununu.com macht es Unternehmen möglich, sich selbst zu präsentieren. Unter Rubriken wie „Wer wir sind“, „was wir bieten“, „wen wir suchen“ und „Bewerbungstipps“ können sich Unternehmen selbst vorstellen und so von ihrer besten Seite zeigen.

Die meisten Portale vergeben ferner Gütesiegel an gut bewertete Betriebe oder listen sie auf der Frontpage in den „Top 5 Firmen“ auf, wie es bei bizzwatch.de der Fall ist. Kununu.com  vergibt zudem das Gütesiegel „Open Company“, welches dann verliehen wird, wenn das Unternehmen seine eigenen Mitarbeiter zum Bewerten auffordert, Bewertungen kommentiert und Einblicke in den Arbeitsalltag in Form eines Unternehmensprofils gewährt.

Es ist nicht alles Gold was glänzt: Kritik

1. Schlechte Bewertungen nehmen Überhand

Wir kennen es selbst: Du hattest einen tollen Urlaub in einem unvergesslichen Hotel. Hast du das Hotel dies wissen lassen? Die wenigsten Urlauber geben dieses positive Feedback ans Hotel zurück. Sie empfehlen es nur Freunden und Bekannten weiter. Rückmeldungen bekommen Hotels und andere Unternehmen nämlich meist erst dann, wenn etwas negativ auffällt. Und genauso ist es bei Arbeitgeberbewertungsportalen. Es gibt kaum jemanden, der aus Zufriedenheit bewertet. Oft scheinen vorrangig solche Personen zu bewerten, die gekündigt wurden oder die im Streit auseinander gegangen sind. Dass diese Einträge nicht durchweg neutral sind, kann jeder nachvollziehen.

2. Das Unternehmensprofil verzerrt das neutrale Bild

Kununu.com wird von einigen Firmen genutzt, um ihr Image mithilfe des erwähnten Unternehmensprofils aufzupolieren. Wie das gelingt? Ganz einfach! Man stelle ein überzeugendes Unternehmensprofil ein, erzähle von seiner blumigen Unternehmenskultur und gebe letztlich einmalige Bewerbungstipps für junge Talente. Umsatzangaben, Mitarbeiterzahlen, Fotos mit lachenden Gesichtern und Promotionvideos inklusive.

Für den User wird es immer schwerer, die Grenze zwischen Arbeitgeber- sowie Arbeitnehmersicht zu erkennen. Wer hat was geschrieben? Wie neutral ist das Statement und wie soll ich es für mich persönlich einstufen? An dieser Stelle könnte man dem Bewertungsportal eine fehlende Distanz zur Arbeitgeberseite vorwerfen. Zumal Unternehmen für die Nutzung ihres Profil monatlich einen netten Betrag überweisen. Um am Schluss die Glaubwürdigkeit zu wahren, sollten immer noch die Arbeitnehmer den Schwerpunkt der Plattform ausmachen.

„Employer Branding“ nennen Personalleute diese Selbstvermarktungsstrategie, mit der sie ihr Öffentlichkeitsbild und ihren Ruf aktiv mitgestalten. Sie fordern außerdem ihre Mitarbeiter auf, sie zu bewerten. Schließlich geht man davon aus, dass sie zufriedener sind und bessere Bewertungen abgeben als die Ex-Mitarbeiter, die schon längst über alle Berge sind. Und das nicht grundlos.

3. Auszeichnungen, Gütesiegel und Co

Die verliehenen Auszeichnungen und Rankings können ein skeptisches Auge vertragen, wie wir feststellen mussten: Neugierig schauten wir auf Platz 1 der „Top 5 Firmen“ auf bizzwatch.de. Sehr interessant an dieser Stelle war die Anzahl der Bewertungen… eine einzige! Die nachfolgenden Plätze basierten auf der gleichen Beurteilungsanzahl.  Wie vertretbar ist folglich ein solches Ranking?

Auszeichnungen wie der „Top-Arbeitgeber“ von companize.de oder die „Top Company“ von kununu.com haben zwar schärfere Kriterien, sind aber nicht selten an eine gewisse Mindestanzahl an Bewertungen gekoppelt. Einerseits gut für die Glaubwürdigkeit, andererseits schwierig zu erreichen für mittelständische und kleine Firmen.

4. Repräsentativität

Apropos Anzahl der Bewertungen: Firmen, die nicht besonders viele Mitarbeiter haben, können durch schlechte Bewertungen relativ schnell in die Pfanne gehauen werden. Um dauerhaft positiv bewertet zu werden, ist eine Vielzahl von positiven Rückmeldungen notwendig, auf die ein kleines oder mittelständisches Unternehmen kaum kommt.  Es sei denn, es ist wirklich ein wahres Arbeitnehmerparadies.

Die Repräsentativität scheint auch dann zu leiden, wenn man bösen Kritikern Glauben schenken mag. So heißt es zum Beispiel, dass zu heftige Bewertungen auf Antrag der Arbeitgeber schlicht und einfach gelöscht werden würden oder als archiviert angezeigt werden. Eindeutige Fälle findet man hierzu jedoch nicht und auch die Plattformen bestreiten dies vehement.

Warum sind Bewertungsportale trotzdem nützlich?

So viel Kritik man an den Bewertungsportalen auch ausüben mag, können wir eigentlich nur froh sein! Man muss einfach lernen die Einträge zu lesen und zu deuten. Bei überschwänglich positiven und erniedrigenden negativen Statements ist zwar Vorsicht geboten, aber ein Fünkchen Wahrheit wird an der Meinung des Verfassers sicherlich dran sein.

Außerdem bieten Bewertungsportale immer noch ein gutes Gegengewicht zu den zum Teil überheblich wirkenden Unternehmenswebseiten, auf denen sich ein Unternehmen – wie sollte es auch anders sein – von seiner schokoladigsten Seite zu zeigen versucht. Als Stimmungsbarometer helfen uns Bewerbungsportale wie kununu.com durch übersichtliche Statistiken ein Einblick in die Branche bzw. in ein Unternehmen zu bekommen. Auch wenn die Neutralität von jedem selbst eingeschätzt werden muss.

Und ist vor Unternehmen, die sich aktiv um ihr Profil kümmern und vor allem auf Bewertungen reagieren nicht der Hut zu ziehen? Wer traut sich schließlich, sich in der Öffentlichkeit an den Pranger zu stellen? Eine große Portion Mut, Offenheit und Kritikfähigkeit gehört mit Sicherheit dazu. Durch Bewertungsportale können Firmen wenigstens mitreden und Stellung beziehen. Das sollte die objektive Beurteilung für unsereins als Leser im Endeffekt noch leichter machen. Nutzt ein Unternehmen die schlechte Kritik seiner Bewertung sogar, um an sich zu arbeiten und Missstände aus dem Weg zu räumen, profitiert doch am Ende die Arbeitnehmer. Welch Freude!

Wir freuen uns jedenfalls über mehr Transparenz in der Arbeitgeberwelt, trotz dem wir sagen: Augen auf im Bewertungsverkehr!

Gastbeitrag von: Nicole Girod

Nicole Girod ist Studentin der Betriebswirtschaftslehre an der Universität Duisburg – Essen. Seit Mai 2013 unterstützt sie unser Team tatkräftig im Bereich Online-Marketing.

 

 

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Verfolgen Lisa N.:

Nach einem Masterstudium an der Universität Hamburg, habe ich erfolgreich ein Volontariat in einer PR-Agentur absolviert. Bei der YOURCAREERGROUP bin ich seit November 2014 für das B2C Marketing und den Pressebereich zuständig. Weitere Informationen zu mir gibt es auf XING.