„Die Zahl der ausgeschriebenen Stellen steigt wieder” – Interview im Young Travel Industry Club Newsletter 03/2020

Eingetragen bei: Hotelcareer News | 0

Wie hat sich die Corona Pandemie auf Jobsuchende im Tourismus ausgewirkt? Wie hat sich die Situation in den letzten Monaten entwickelt? Und wie verändert sich aktuell die Digitalisierung im Recruiting Prozess? Im September hat unsere Kollegin Lea Stiller dem Young Travel Industry Club im Interview Rede und Antwort gestanden.

Young TIC: Beschreibe doch bitte kurz, was die YOURCAREERGROUP genau macht.

Wie hat sich die Corona Pandemie auf Jobsuchende im Tourismus ausgewirkt?Lea Stiller: Wir sind eine europäische Jobbörse, spezialisiert auf die Hotellerie, Gastronomie & Touristik. Seit über 20 Jahren betreiben wir die drei Portale HOTELCAREER, TOURISTIKCAREER, GASTROJOBS. Vor kurzem haben wir außerdem das auf Südeuropa fokussierte Jobportal turijobs übernommen. Mit diesen Plattformen sind wir in neun Ländern aktiv: Deutschland, Österreich, der Schweiz, Frankreich, den Niederlanden, Polen, Spanien, Portugal und Italien. Unsere Mission? Wir ermöglichen es Menschen, den Job zu finden, den sie lieben, und bieten Unternehmen die dafür geeigneten, serviceorientierten Kandidaten.

Was unterscheidet euch von anderen Jobbörsen?

Im Gegensatz zu den großen Generalisten, die Stellenanzeigen aus allen möglichen Branchen führen, sind wir auf Jobs in den Bereichen Tourismus und Hospitality spezialisiert. Die meisten unserer Mitarbeiter haben selbst einen beruflichen Hintergrund im Tourismussektor. Dieses Fachwissen und die Erfahrung helfen uns, weil wir dadurch die branchenspezifischen Bedürfnisse sowohl der Unternehmen als auch der Bewerber genau kennen.
Außerdem hebt uns die Internationalität von anderen Jobbörsen ab. Zwar sind die Generalisten teilweise auch in mehreren Ländern aktiv, aber i.d.R. werden die Stellenausschreibungen aus einem Land nur in dem jeweiligen Land geschaltet. Da wir aber wissen, dass Touristiker gern international arbeiten, sind bei uns auch die Stellen aus anderen Ländern gelistet.

Was machst du konkret?
In meiner Funktion als Marketing Manager Partnerships bin ich für Kooperationen und Partnerschaften mit Schulen und Hochschulen der Tourismusbranche zuständig, sowie Verbänden und Destinationsmarketingorganisationen. Unsere Vision ist es volle Verantwortung zu übernehmen, um die Branche zu einem attraktiven Arbeitsplatz zu machen.

Können sich Young Professionals oder Absolventen auch selbst bei euch registrieren?

Ja, Interessenten können bei uns ein kostenloses Profil anlegen, dort z.B. ihren Lebenslauf hochladen und ihre beruflichen Wünsche eintragen. Damit können Sie sich mit wenigen Klicks auf interessante Stellen bewerben. Außerdem gibt es die Möglichkeit, das eigene Profil zu aktivieren und zu veröffentlichen. So haben ausschreibende Unternehmen Zugriff auf das Profil und können den
Kandidaten bei Bedarf kontaktieren.

Hast du Tipps, wie man Jobbörsen als Arbeitssuchender am effektivsten nutzen kann?
Man sollte möglichst viele der angebotenen Zusatzleistungen nutzen, die über die reine Recherche in Stellenausschreibungen hinausgehen. Neben dem erwähnten Profil zählt dazu bei uns auch der Jobfinder. Damit wird man einmal täglich über neu eingestellte Stellenanzeigen informiert, die den eigenen Karrierewünschen entsprechen.

Viele Unternehmen müssen derzeit Stellen abbauen. Ich vermute in der Folge treffen immer mehr Bewerber auf immer weniger offene Stellen. Kannst du das bestätigen?

Die Anzahl der Bewerber ist in den letzten Monaten gestiegen, ja. Aber seit dem Ende der Lockdown Phase steigt auch die Zahl der ausgeschriebenen Stellen wieder stetig an. Die Stellenanzeigen sind seit der Lockdown-Phase über alle YCG Portale über 20% angestiegen. Wir haben im Mai eine Umfrage unter unseren Kunden durchgeführt. Dabei gaben 11% der Unternehmen an, dass sie Mitarbeiter aus wirtschaftlichen Gründen entlassen mussten, 25% haben einen Einstellungsstopp. Aber auch im Tourismus erleben einige Segmente derzeit einen deutlichen Aufschwung, allen voran der Deutschlandtourismus.

Welche Folgen hat das höhere Bewerber-Aufkommen für den Recruiting-Prozess? Wird dieser jetzt noch langwieriger und komplizierter als es vorher oft der Fall war?
Es entwickeln sich gerade viele neue Methoden für effizientes virtuelles Recruiting, daher nicht unbedingt. Wir haben zum Beispiel kürzlich ein neues Tool zum Remote Video Recruiting in unsere Produktpalette aufgenommen, mit dem die Unternehmen virtuelle Vorstellungsgespräche führen können. Das kann entweder live erfolgen wie ein Videochat oder zeitversetzt: D.h. das Unternehmen
zeichnet seine Fragen an den Bewerber auf und dieser kann später seine Antworten aufnehmen, wenn er Zeit hat. Einige Unternehmen nutzen solche Tools auch, um den Bewerbern detailliertere Einblicke in ihre Räumlichkeiten zu geben, sich als guter Arbeitgeber zu präsentieren oder Mitglieder des Teams
vorzustellen, dem der neue Mitarbeiter angehören wird. Verglichen mit herkömmlichen Vorstellungsgesprächen sparen solche Tools aber vor allem Zeit und Geld. Mit Remote-Recruiting lassen sich etwa 25 % der Kosten sparen und die Rekrutierungszeit um bis zu 60% reduzieren.

Wirkt sich der Trend, Dienstreisen durch virtuelle Meetings zu ersetzen also auch auf das Recruiting aus?

Ja, absolut. Es gab vorher schon Unternehmen, die Vorstellungsgespräche online oder via Telefon geführt haben. Das setzt sich jetzt immer weiter durch. Aber nach wie vor gilt, dass einige Unternehmen solchen alternativen Formen sehr offen gegenüberstehen und andere weniger.

Werden auch Assessment Center virtuell durchgeführt statt vor Ort?
Bei so komplexen Prozessen wie Assessment Centern ist dieser Schritt etwas schwieriger, aber auch hier gibt es neue Ansätze. Ein interessantes Beispiel dafür ist die Targobank: Im Auswahlprozess für neue Bürokaufleute werden die Bewerber in ein virtuelles Büro eingeladen. Hier werden die typischen
Arbeitsabläufe simuliert, die mit dem Job verbunden sind.

Vor der Corona-Krise klagten viele Arbeitgeber über den Fachkräftemangel. Kehrt sich dieses Problem gerade um?

Es gibt jetzt mehr Bewerber als vor der Krise und viele Unternehmen haben einen Einstellungsstopp. Aber in vielen Bereichen werden trotzdem weiterhin Mitarbeiter gesucht. Teilweise ist die Arbeitslast zwischen den Abteilungen in Krisenzeiten auch anders verteilt als sonst – in einigen Bereichen ist Kurzarbeit angesagt, andere brauchen Verstärkung – aber eben von Mitarbeitern mit ganz bestimmten
Fähigkeiten oder beruflichen Hintergründen. Daher lassen sich die Aufgaben nicht immer einfach umschichten. Der wichtigste Aspekt ist aber, dass bedingt durch den demographischen Wandel in den nächsten Jahren viele Arbeitskräfte in den Ruhestand gehen und durch neue ersetzt werden müssen. Dieser Trend wird uns in den nächsten Jahren noch stark beschäftigen.

Schon seit Jahren kämpft unsere Branche mit Nachwuchsproblemen und einer sinkenden Zahl an Azubis. Lt. einer DRV-Umfrage ist das Angebot an Ausbildungsplätzen für Reiseverkehrskaufleute in diesem Jahr um 64 % gesunken. Welche Folgen erwartest du für die nächsten Jahre?
Die Frage gleicht leider einem Blick in die Glaskugel. Es ist schwer vorherzusagen, wie sich das weiterentwickelt. Erst mal müssen die Firmen alles daransetzen, ihre bestehenden Mitarbeiter halten zu können, insbesondere die gut ausgebildeten Fachkräfte. Erst dann können sie sich darum kümmern, neue auszubilden. Von der Bundesregierung gibt es ein paar gute Ansätze und finanzielle Anreize, aber
ob diese ausreichen und wie sie wirken müssen wir abwarten.

Sägt die Branche mit der zurückgefahrenen Nachwuchsförderung an ihrer eigenen Zukunftsfähigkeit?
Na ja, die Krise ist ja nun mal eingetreten und Unternehmen müssen sie irgendwie bewältigen und überleben. In einer solchen Situation muss man die Gedanken an die Zukunft leider zwangsweise erst einmal hintenanstellen. Wer Azubis einstellt möchte ihnen ja eine bestmögliche Ausbildung ermöglichen. Dazu gehört auch eine umfassende Betreuung. Diese zu gewährleisten ist aber in Zeiten von Kurzarbeit schwierig. Es gilt schnell zu reagieren, wenn sich der Tourismus wieder erholt und die besten Talente zu sichern.

Wie erlebst du die Loyalität der Young Professionals zur Reisebranche? Schauen sich viele auch in anderen Bereichen um oder planen unmittelbar einen Wechsel?

Wenn wir uns unsere Bewerberzahlen und die aktiven Profile auf unseren Plattformen anschauen scheint diese Loyalität tatsächlich ziemlich hoch! Viele wollen trotz allem weiter in der Tourismusbranche arbeiten. Das ist natürlich erfreulich.

Was entgegnest du jungen Menschen, die jetzt überlegen, der Branche den Rücken zu kehren?
Ich würde sagen ‚Schaut mal, in anderen Branchen läuft es auch nicht unbedingt besser.‘ Die Krise hat inzwischen auch viele Wirtschaftszweige getroffen, von denen das anfangs niemand erwartet hätte. Aber es gibt ja auch innerhalb der Tourismusbranche spannende Möglichkeiten, sich weiterzuentwickeln. Der Deutschlandtourismus erlebt gerade einen starken Aufschwung, hier bieten
sich vielfältige Perspektiven. Ebenso im Bereich der Digitalisierung.

Weniger Azubis und teilweise ein Abgang qualifizierter Arbeitskräfte – Brechen nach der Coronakrise goldene Zeiten für Arbeitnehmer und schwarze Jahre für Arbeitgeber an?

Tatsächlich haben wir diese Frage auch bei uns im Unternehmen vor geraumer Zeit diskutiert. Wir sind aber zu dem Schluss gekommen, dass das nicht passieren wird, das wird sich mittelfristig wieder einpendeln. Es gab und gibt immer mal wieder Phasen mit stärkerer Nachfrage oder stärkerem Angebot. Der Fachkräftemangel wird sicherlich auch nach der Krise wieder ein Thema sein, aber von schwarzen Jahren für Unternehmen würde ich nicht sprechen.

Und zum Abschluss: Welchen Rat würdest du Absolventen oder Young Professionals geben, die in der aktuellen Situation einen (neuen) Job suchen?

Nicht den Mut verlieren und nicht zu schnell aufgeben! Es gibt weiterhin viele spannende Jobs in unserer Branche! Man muss nur intensiv suchen und manchmal ein bisschen Geduld haben. In dieser Zeit ist Flexibilität aber wichtiger geworden. Dazu gehört auch die Bereitschaft, für einen neuen Job
ggf. umzuziehen.

Wie hat sich die Corona Pandemie auf Jobsuchende im Tourismus ausgewirkt?

Das Interview für den Young TIC führte Alexander Holst. Wir bedanken uns beim Young Travel Industry Club für das tolle Interview!

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