„Legen wir alles auf den Tisch, was wir haben“

Gastronomie und Hotellerie stecken in einer Krise. Arbeitskräfte sind schwer zu finden, die Pandemie hat viele Fachkräfte in andere Branchen abwandern lassen. Im Interview mit StepStone spricht Anton Gustav Birnbaum, General Manager des ASTORIA Resort Seefeld über eine Branche an der Grenze der Belastbarkeit, Chancen für die Zukunft und warum seiner Meinung nach der Ansatz „Legen wir alles auf den Tisch, was wir haben“ sein muss.

Was ist da los, in Hotellerie und Gastgewerbe: Wo sind die Arbeitskräfte, wie kann es in Zukunft weitergehen?

Die Branche hat ein Problem und dem müssen wir uns stellen. Seit langer Zeit hat sich die Branche kaum verändert, es wurde immer schwieriger gute Leute zu finden und auch den Nachwuchs zu motivieren. Die Krise hat diese Entwicklung nun beschleunigt. Die Prozesse sind seit Jahren gleich, die Berufsbilder sind seit Jahren gleich. Aber sowohl die Bedürfnisse von Mitarbeitern* als auch Kunden haben sich verändert, nicht zuletzt auch aufgrund ihrer Erfahrungen und Erlebnisse während der Pandemie. Ich bin der Meinung: Wir müssen uns jetzt neu erfinden, um die Branche für den Mitarbeiter und die Mitarbeiterin attraktiver zu gestalten.

Es gibt immer mehr Wirte, Hotels und Gruppen, die Neues versuchen um für Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter attraktiver zu werden, ist das nicht genug?

Es stimmt, man kann nicht behaupten, dass es keine innovativen Ideen gebe – ich kenne Hotels, die Chalets mit Whirlpools für ihre Beschäftigten bauen, smarte E-Autos für ihre Schlüsselkräfte anbieten oder auch die 4-Tage-Woche umsetzen. Aber das sind Einzelfälle und das macht mir Sorgen, weil wir alle im gleichen Teich fischen und dadurch nur der einzelne Arbeitgeber, nicht aber die Branche gewinnt Was es jetzt braucht sind starke, positive Veränderungen im Gleichklang. Wir müssen gemeinsam agieren, um die gesamte Branche zu revitalisieren.

Sind alle gleichermaßen betroffen, oder ist es für ein Luxushotel noch einfacher, Personal zu finden?

Ein Hotel wie das ASTORIA Resort Seefeld hat bestimmt einen Vorteil, wegen seines Rufes als sicherer Arbeitgeber. Es hat aber den Nachteil, dass eine solche Luxus-Marke auch oft abschreckend wirken kann. Erst kürzlich habe ich eine Reinigungshilfe aus der Region gefragt, warum sie nicht im Astoria arbeitet – sie hat entsetzt abgewunken und gesagt, das könne sie doch nicht, weil sie keine Ausbildung in der Hotellerie habe. Hier muss man Hürden abbauen, genau hier ist anzusetzen, um das Berufsbild attraktiver zu machen.Anton Birnbaum, General Manager ASTORIA Resort Seefeld

Seit vier Monaten auf der Suche nach einem Rezeptionschef

Wir suchen beispielweise eine Rezeptionschefin und finden seit vier Monaten niemanden, wir hatten ganze drei Bewerbungen auf die Stelle. Ich sehe hier auch klar einen Auftrag für Jobbörsen, die noch besser Jobsuchende mit Arbeitgebern zusammenbringen müssen. Damit meine ich auch, dass eine Buchhalterin oder ein Tischler vielleicht ein Hotel als Arbeitgeber nicht auf dem Schirm hat. Dennoch bieten wir so unfassbar viele unterschiedliche Berufe an, alle unter einem Dach. Ich glaube nicht, dass es ein Problem wäre, in ganz Seefeld jemanden für eine einfache Hilfsarbeit zu finden, aber wie erreiche ich die Menschen, die nicht aktiv nach einem Job in der Hotellerie suchen?! Das ist die nächste große Herausforderung.

War die Pandemie Grund dafür, dass sich die Lage so zugespitzt hat?

Berufe im Gastgewerbe waren immer schon fordernd, die Pandemie hat die Situation für Beschäftigte aber deutlich verschlechtert. Man muss sich einmal in die Lage der Mitarbeiter versetzen: Nach sieben Monaten Pause fanden sich viele von jetzt auf gleich im absolutem Vollstress wieder. Die Ferienhotellerie war in diesem Sommer sehr gut ausgelastet – jedoch bei nicht voller Besetzung. Wie soll das gehen, ohne Spuren zu hinterlassen? Das ist harte Anstrengung. Ich habe erst kürzlich mit einem Mitarbeiter der Hotellerie gesprochen, der mir erzählt hat, dass ihm die Tränen der Verzweiflung kommen, wenn der Wecker läutet, weil er nicht weiß, wie er wieder in dieses Hamsterrad hineinfinden soll. Wir haben den Sommer trotzdem gut überstanden und in der Zwischensaison war die Lage entspannter, aber ich bekomme Bauchweh, wenn ich daran denke, was uns diesen Winter erwartet. Wir schlittern erneut in eine Zeit, die für das Gesundheitssystem und die Wirtschaft unfassbar schwierig und herausfordernd wird. Etwa eine Reisewarnung für Österreich, aus dem benachbarten Ausland, könnte den Zusammenbruch der Wintersaison bedeuten. Neben den wirtschaftlichen Folgen, sinkt auch hier die Sicherheit und Attraktivität der Branche.

Wir wissen aus diversen Umfragen und Studien, dass der Wunsch nach Sicherheit groß ist. Ebenso wiegt auch das Bedürfnis nach einer flexiblen Arbeitsgestaltung. Homeoffice ist wichtiger denn je, wie kann die Branche da mithalten?

Das ist tatsächlich eines unserer größten Probleme. Wenn ein Mitarbeiter kommt und sagt, er möchte seine Vollzeit in einer 4-Tage-Woche absolvieren, dann wird das bei einem Großteil der Betriebe nicht funktionieren. Anderseits gab es auch mal eine 6-Tage-Woche, die nun eine 5-Tage Woche ist. Generell haben neue Arbeitszeitmodelle und die veränderten Bedürfnisse von Beschäftigten natürlich auch Auswirkungen auf unsere Branche. Das schadet meiner Meinung nach den Branchen, die das nicht bieten können.

Wie kann ein Ausweg aus der Krise aussehen?

1. Alles auf den Tisch legen, was wir haben

Wir müssen alles auf den Tisch legen, was wir haben, uns teilweise ändern und schauen, welche Schritte zur Veränderung möglich sind. Erstens müssen wir am Gehalt ansetzen – hier braucht es aber ein anderes Steuersystem. Meiner Ansicht nach wäre es wichtig, dass etwa das kollektivvertragliche Grundgehalt regulär besteuert wird, aber die Überzahlung soll zu 80, 90 oder idealerweise sogar zu 100% bei Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern ankommen. Wenn ich 100 Euro bei der Reinigungskraft drauflege, soll sie das auch spüren. Da ist die Politik gefragt, das können wir nicht allein schaffen.

2. Verbesserung des Images

Zweitens müssen wir am Arbeitgeber- und Branchenimage arbeiten und uns vor allem in Punkto Arbeitszeiten, gewohnte Strukturen und alte Prozesse sowie Mitarbeiter-Benefits weiterentwickeln – die Branche muss attraktiver werden – auch in der Wahrnehmung. Ein Rabatt auf einen Einkauf im Baumarkt oder vergünstigte Preise für Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im eigenen Betrieb interessieren heute kaum mehr. Ich muss mich fragen: Was kann ich bieten, das Relevanz hat, was macht die Branche interessant?

3. Verbesserung der Arbeitsbedingungen

Drittens müssen wir die Arbeit für unsere Beschäftigten leichter machen und schauen, wo wir Druck herausnehmen und Arbeit erleichtern können, ohne dass es dem Kunden an etwas Wichtigem fehlt. Z.B. stelle ich in Frage, ob es wirklich den Turn-down-Service braucht. Muss das Bett zwei Stunden nach Ankunft tatsächlich nochmal aufgeschüttelt werden? Muss das Zimmer aufgeräumt werden, obwohl der Gast sich gerade erst einmal die Hände gewaschen hat? Das ist zwar für unser Empfinden von Luxus sehr relevant, aber auch ökologisch nicht mehr zeitgemäß. Was ist die Erwartungshaltung des Gastes, hat er wirklich ein Problem mit einem Buffet zu Mittag? Wenn ich für ein serviertes Drei-Gänge-Menü einfach nicht das Personal habe, muss es wohl so funktionieren.

Last but not least: Es muss sich auszahlen

Und last but not least, müssen Gäste die Leistung auch bezahlen. Wenn ich am Wochenende ein doppeltes Gehalt bezahle, muss das irgendwie reinkommen. Vielleicht ist der Sonntagszuschlag auch vom Gast zu bezahlen und geht direkt an den Mitarbeiter bzw. die Mitarbeiterin. Aber das ist ein Schritt, den wir als Branche gehen müssen.

Was ist das Schöne an Ihrer Branche?

Als Mitarbeiter in der Hotellerie oder im Gastgewerbe musst du deine Energie und Freude aus der Arbeit ziehen – wenn mir ein Gast zurückspiegelt, dass er sich wohl fühlt, bereitet mir das Freude; ich liebe diese Arbeit, aber im täglichen Gästekontakt bin ich hier sicher privilegiert. Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter hinter den Kulissen, wie zum Beispiel unser Reinigungspersonal, das teilweise sehr früh startet, dann die klassische Zimmerstunde hat, um zu entspannen und am Abend die Spätschicht durchführt, benötigt eine andere Form der Motivation. Hier muss man ansetzen.

(c) Mattheus Anton Schmid

 

Das Gespräch führte Corina Drucker, Content and Communications | Pressesprecherin bei StepStone Österreich

 

 

Über Hotelcareer | Gastrojobs by StepStone

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*Zugunsten besserer Lesbarkeit verwenden wir in unseren Texten bei allgemeinen Personen- oder Stellenbezeichnungen etc. stellvertretend für alle Geschlechter die männliche Form.

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