Anonymisierte Bewerbungen: Ja oder nein?!

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Die USA nutzen sie bereits seit Jahren: Anonymisierte Bewerbungsverfahren. Wenn du dich im „Land der unbegrenzten Möglichkeiten“ um einen Job bewirbst, ist deine Optik erst mal völlig egal, weil einzig und allein deine Qualifikationen eine Rolle spielen. Klingt super – und vor allem fair. Schließlich ist es ja auch total unwichtig, ob du zum Beispiel Migrationshintergrund hast, oder? Da drängt sich dir doch die Frage auf, wieso dieses System nicht auch bei uns längst gängige Praxis ist. Schließlich wird auch bei uns früher oder später in jeder Branche der Vorwurf laut, dass dein Konkurrent den Job am Ende ja nur bekommen hat, WEIL…

Macht alles Sinn, aber: Wie so oft „wissen wir [das heißt: Die Politiker] es noch nicht so genau“. Toll. Stattdessen bekommst du immer wieder zu hören, dass anonymisierte Bewerbungen nicht ganz zeitgemäß seien und vor allem für deinen Gegenüber einen deutlich größeren Arbeitsaufwand bedeuten würden. Und so weiter, und so weiter. Ist jetzt auch nicht unbedingt dein Problem, oder?

Nein, ist es nicht. Etwas ist an dieser Aussage dennoch dran: Um dich wirklich vollständig anonym bewerben zu können, reicht es nicht aus, dass nur dein Foto aus deiner Bewerbungsmappe verschwindet, sondern zum Beispiel auch dein Name und deine Herkunft müssten aus all deinen Unterlagen gestrichen werden. Eben alles, was persönlicher ist. Zugegebenermaßen geht das jetzt nicht innerhalb von zwei Minuten  – allerdings ist es auch keine unlösbare Herausforderung! Abhilfe könnte zum Beispiel ein vorgefertigter Bogen deines potentiellen neuen Arbeitgebers schaffen, in den du ganz einfach alle relevanten Daten einträgst. So musst du dich nicht mit irgendwelchen Bildbearbeitungsprogrammen herumschlagen, von denen du im Zweifel keine Ahnung hast, nur, um zum Beispiel überall dein Nummer raus zu löschen. Und die Personaler hätten auch sofort alle Infos, die sie brauchen, zusammen. Zwei Fliegen mit einer Klappe also.

Jedoch ist ein weiteres „Totschlag-Argument“ aus Personaler-Sicht, dass gefühlte 50 Umfragen in diversen Ländern Europas in den letzten Jahren ergeben haben, dass anonymisierte Bewerbungen so gut wie keinen Einfluss auf das tatsächliche Einstellungsverhalten der Unternehmen haben: Nur, weil zum Beispiel mehr Mitbewerber mit Migrationshintergrund zum Vorstellungsgespräch eingeladen werden, heißt das noch lange nicht, dass diese am Ende auch eingestellt werden!

Doch zurück zu dir. Wäre es dir persönlich wirklich wichtig, in deiner nächsten Bewerbungsrunde bis zum Vorstellungsgespräch vollständig anonym zu bleiben? Auch hier war die Wissenschaft wieder einmal fleißig und hat unter anderem herausgefunden, dass insbesondere die (viel diskutierte) Generation Y auf Anonymität im Netz noch nie so großen Wert gelegt hat. Wenn du auch zwischen 1977 und 1998 geboren bist, bist du mit dem Internet aufgewachsen. Ein „Digital Native“. Datenschutz findest du zwar wichtig, aber eigentlich hast du schon vor ein paar Jahren etwas resigniert, weil die NSA ja eh alles rausfindet und du dir sowieso nicht sicher sein kannst, wem deine Daten, für welche Marktforschungs-, Überwachungs-, oder sonst was für Zwecke auch immer, am Ende tatsächlich in die Hände fallen. Selbst wenn du dich morgen komplett ohne persönliche Daten bewirbst, ist es die leichteste Aufgabe deines Gegenübers, kurz auf deinem Facebook-Profil vorbei zu surfen oder mal eben deine Instagram-Fotos zu checken. Und schwupps! Doch alle Daten übermittelt. Sämtliche Sozialnetzwerke pflegst du nämlich schon über Jahre – nur für ein paar Bewerbungen wirst du wohl kaum deine vollständige virtuelle Vergangenheit löschen.

Ebenfalls nicht zu unterschätzen ist die Aussagekraft beruflicher Netzwerke, wie zum Beispiel Xing oder LinkedIn. Selbst wenn du vielleicht nicht zur Generation Y gehörst, hast du dich in diesen Netzwerken angemeldet, um deine berufliche Laufbahn einen Schritt weiter nach vorne zu pushen – und nicht nach hinten. Du willst bewusst nicht anonym bleiben.

Wie wär’s also mit einem Mittelweg? Würde es nicht einfach reichen, wenn du um das verhasste Bewerbungsfoto drum herum kämest? – Nein. Lass‘ das lieber drin. Solange du nicht ausdrücklich dazu aufgefordert wirst, dich ohne Foto zu bewerben, macht es immer einen komischen Eindruck, vielleicht der oder die Einzige ohne ein Foto zu sein: Hat der- oder diejenige etwas zu verbergen? Besser gar nicht erst die Gedankenspiele der Personaler anregen!

Alles in allem schlägt sich dieser Blog-Beitrag damit vorerst auf die Nein-Seite. Nein, anonymisierte Bewerbungen sind bei uns einfach noch nicht so angekommen. In diesem Sinne: Wenn du nicht ausdrücklich dazu aufgefordert wirst, spiele bitte nicht den oder die Pionier/in, der dieses Terrain auf eigene Kosten versucht zu ergründen.

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Verfolgen Barbara:

Barbara Solle studiert Anglistik und Politikwissenschaft an der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf. Seit Oktober 2014 arbeitet sie bei der YOURCAREERGROUP und unterstützt unser Team im Bereich Online Marketing. Weitere Informationen zu ihr gibt es auf Xing und LinkedIn. XING.